„Der sieht doch so lieb aus!“ oder: Die richtige Kontaktaufnahme mit einem Hund

 

 

Eine wahre Geschichte:

Ich trainierte einen meiner Kurse in der Fußgängerzone. Meine Hündin „Luka“ lag abgelegt ein paar Meter hinter mir dösig in der Sonne.

Nach „vorne heraus“ machten wir ein paar Übungen. Plötzlich rief eine Teilnehmerin mit Fingerzeig erschreckt „Stef, guck mal“ und ich drehte mich sofort um, um noch zu sehen, dass ein Kleinkind mit wackeligen Beinen auf meine Hündin zugesteuert hatte und gerade über sie fiel. Luka, die von der Annäherung des Kindes ganz offensichtlich nichts mitbekommen hatte, quittierte das Verhalten des Kindes, das nun unbeholfen halb über dem Hund stand und halb lag, glücklicherweise mit einem sanften Lecken über die Wange.

Ich hätte unmöglich schnell reagieren können, wenn sich die Situation zugespitzt hätte.

 

Die Mutter des Kindes folgte grenzdebil lächelnd locker gut 10 m Abstand. Ich war kurzzeitig gewillt, sie im Gegenzug spaßeshalber aufdringlich zu herzen, zu umarmen und zu knutschen. Aber ICH habe ja Anstand!

 

Daher ließ ich mich nicht lumpen, unterbrach das Training und sprach die Mutter sehr freundlich an, ob sie denn wisse, wie gefährlich diese Situation gerade gewesen sei und dass es keine so gute Idee wäre, ein Kind ungefragt auf einen Hund zutapern zu lassen.

Ich gab mir Mühe, ihr verständlich zu erklären, warum das denn so ist, und erntete eine mehr als patzige Antwort. „Man könne doch sehen, dass das ein lieber Hund ist.“

Ich habe sie dann gefragt, ob der Hund, den sie als lieb einschätzt (aufgrund eines besonderen Aussehens) denn vielleicht die Fell- oder Augenfarbe wechseln würde, wenn er bereits schlechte Erfahrungen mit Kindern gemacht hätte.

Darauf hin wurde die Frau noch pampiger, als sie eh schon war, griff das Kind am Arm und zog von dannen und schnauzte noch aus Entfernung den weisen Spruch, dass der Hund ja dann bitte schön einen Maulkorb tragen müsse, wenn er gefährlich wäre.

 

Schein und Sein

Mir fehlen die Worte! Und ich schlage die sprichwörtlichen drei Kreuze, dass ich mich in solchen Situationen auf meine Hunde verlassen kann. Sie haben allesamt lernen dürfen, diese Begebenheiten richtig zu deuten und Ruhe zu bewahren, auch wenn die Zweibeiner gegen so manch hündische Kommunikationsregel verstoßen haben.

Für eine weniger freundliche Antwort hätte ich Verständnis gehabt. Und ich habe genau dieses für die Hunde, die mit solchen Überfallattacken nicht zurecht kommen!

 

Wenn ich mit meinen Hunden Schulklassen und Kindergartengruppen besuche, frage ich zu Beginn immer, ob es „böse“ Hunde gibt, woran man sie erkennen könne und ob denn vielleicht einer der mich begleitenden Hunde „böse“ ist.

Die häufigste Antwort, die Kinder geben: Man könne doch SEHEN, dass die Hunde lieb sind.

 

Jede Wette, würden meine Hunde ins klassische „Feindbild Hund“ passen, also wären sie groß, dunkel, kurzfellig und hätte helle, stechende Augen, nicht mal die Hälfte der Kinder würden eine Kontaktaufnahme erstrebenswert finden.

 

Meine Hunde sind das alles nicht. Manchmal denke ich mir: „Leider sind sie das nicht!" Es vergeht kein einziger Gang unter Menschen, bei dem nicht wenigstens einer ungefragt an meinen Hunden herumtätschelt.

 

Dabei sind unsere menschlichen, oft plumpen Annäherungen oder Begrüßungszeremonien aus Sicht unserer Hunde genau genommen eine Bedrohung.

 

 

 

Die freundliche Absicht...

 

Menschen:

  • gehen frontal aufeinander zu
  • schauen sich in die Augen
  • strecken die Arme weit oder nach vorne aus
  • wenden die Gesichter einander zu
  • zeigen ihre Zähne mit einem freundlichen Lächeln
  • nehmen sehr schnell und gerne Körperkontakt auf
  • geben ein wortgewaltiges Repertoire an Geräuschen von sich

 

 

Hunde:

  • gehen beschwichtigend im Bogen aufeinander zu
  • schauen sich nicht starr in die Augen, es sei denn, sie wollen provozieren
  • wenden eher den Blick ab
  • zeigen ihre Zähne eher selten bei freundlicher Absicht
  • nehmen selten schnell und gerne direkten Körperkontakt auf
  • geben KEIN lautes Repertoire an Geräuschen von sich

 

Hundesprache ist, wie man sehen kann, ganz anders als unsere!!! Hunde beugen sich auch niemals in freundlicher Absicht über einen anderen.

Beugen über den anderen, sofortiger Kontakt und „In-die-Augen-starren“ sind Zeichen einer Provokation. Man rückt sich nach Hundeart auch nicht gleich dicht auf die Pelle!

 

Das Leid der kleinen und „lieb ausschauenden“ Hunde


Helle Hunde mit fluffigem Fell, besonders Vierbeiner deutlich unter 20 kg und Hunde mit einer „netten Optik“ leben leider damit, dass fremde Menschen auf sie zugehen, an ihnen herumtätscheln, sie streichelnd, sie drücken und liebkosen. Und das oftmals unverhofft, ohne jegliche Vorwarnung.

Hunde lernen unter einer guten Führung zum Glück recht schnell, dass man dieses hunde-untypische Verhalten über sich ergehen lässt. Sie dulden es und haben sich daran gewöhnt. Ihre Art ist es aber nicht und wird es niemals sein!

Richtig begeistert davon sind folgerichtig die wenigsten von ihnen!

Aufklärungsversuche engagierter Besitzer scheitern oft, besonders dann, wenn doch der Hund dieses Verhalten mit stoischer Ruhe (aber wenig Begeisterung!!!) erträgt oder über sich ergehen lässt.

Außerdem hat nicht jeder Hund die Chance zu lernen, wie Menschen so „ticken“.

 

Selbst Hundehalter müssen lernen, dass menschliche Zuwendung in Form von Knuddeln oder Tätscheln nur der eigenen Genugtuung dient, aber nicht unbedingt beim Hund als Lob oder Bestätigung auch so ankommt!

 

Innigkeiten und andere intime Situationen

 

Dabei kann man eine ganz einfach Parallele ziehen, die uns vielleicht zu denken gibt: Welche Ehefrau weiß es zu schätzen, wenn der holde Gatte sie inmitten einer Gesellschaft locker-flockig über den Arm nach hinten beugt und ihr einen wilden Kuss gibt? Kaum eine, denn das gehört vielleicht ins Private, in besondere Situationen der entspannten und intimen Zweisamkeit, aber nicht wirklich in die belebte Einkaufstraße!

Ich genieße die Nähe zu meinen Hunden im Privaten, aber bewahre mich davor, meinen Hund zu umarmen und zu herzen vor lauter Glück, wenn in einer Gruppenübung etwas besonders gut geklappt hat! Selbst wenn es noch so authentisch ist, es ist reinweg Menschenart. Schaut man nämlich genau hin, kann man sehen, dass fast alle Hunde den Kopf wegdrehen und einige weitere Beschwichtigungssignale senden.

 

Ich erlebe aber zu oft die Situation, in der ein Mensch seinem Hund überglücklich seine eigene Freude mit menschlichen Verhaltenweisen zeigen will.  Der Hund, der dabei wenig glücklich dreinschaut, geherzt zu werden, fühlt sich in diesen Momenten so gar nicht gelobt oder bestätigt. Einzig der Mensch bringt mit seinen Verhaltensweisen zum Ausdruck, dass ER sich gut fühlt.

„Das hast du jetzt für dich getan, aber nicht für deinen Hund!“ höre ich mich so oft im Training kritisch sagen.

Lob ist nämlich immer nur das, was der Empfänger als solches empfindet!!!

 

Richtige Kontaktaufnahme mit einem Hund

  • ich nähere mich NICHT frontal (sondern eher seitlich)
  • ich beuge mich nicht über den Hund (sondern gehe auf gleiche Höhe)
  • der Hund kommt auf Einladung zu mir heran
  • ich starre ihm nicht in die Augen (sondern wende meinen Blick eher ab)
  • ich warte ab, ob der Hund zu mir Kontakt aufnehmen möchte und zwinge mich nicht auf
  • ich respektiere immer, wenn der Hund sich abwendet

 

Wenn alle Menschen diese Regeln beachten würden, gäbe es deutlich weniger Probleme im Zusammenleben zwischen Mensch und Hund!

Hundeschule in Siegen 0